Was ist Graubrot?

Heimat ist ein Bezugspunkt im Raum: ein Ort, eine Region oder ein Land. Was aber wäre ein vergleichbarer Bezugspunkt in der Zeit? Ist es möglich, auch in einer bestimmten Epoche zuhause zu sein? Dem mutet schnell etwas Tragisches an: Orte erscheinen beständig, Zeit aber vergeht. Ist darum heimatlos, wer in der Vergangenheit lebt?
„Ich habe das Recht, nicht mein eigener Zeitgenosse zu sein.“ – so schreibt die russische Dichterin Marina Zwetajewa. Und: Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd.“ (William Faulkner/Christa Wolf)


Ist denn immer noch Nachkriegszeit? Manchmal will es so scheinen, und diese Frage nimmt auch Papier.Krieg  in den Blick. Dabei ist es gleichgültig, ob Worte und Ausdrucksweisen nicht mehr gebräuchlich sind, nicht mehr verstanden werden. „Was ist eigentlich Graubrot?“ - so fragte kürzlich ein Oberstufenschüler nach der Aufführung. Nun, Graubrot ist auch das, was man sich darunter vorstellt.
Das Lebensgefühl, das Prägende und Weiterwirkende dieser Zeit teilt sich auch ohne Verständnis von Begrifflichkeiten mit. In der Teilhabe an diesem Lebensgefühl ist vielleicht die Erfahrung möglich, wie befreiend es sein kann, sich nicht mehr fremd zu stellen.
*

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Blog-Archiv

Über uns...