In der Straße meiner Kindheit lebte eine Bildhauerin, Eva Brinkmann. Ich war 6 oder vielleicht 7 Jahre alt, als ich ihr Modell stehen durfte - für eine Auftragsarbeit, einen Jungen, der sich über einen Fischteich beugt.
Den Fischteich gibt es längst nicht mehr, aber das Standbild ist heute noch zu sehen, im Innenhof des Evangelischen Krankenhauses in Wesel-Obrighoven. Nachdenklich, etwas verloren steht es da, und kürzlich habe ich es besucht. Oder besser: ich habe mich besucht, mich als 7-jährigen, mich in den damals üblichen Baumwoll-Trainigshosen mit Gummizug. Plötzlich stehe ich mir selbst gegenüber, dem Kind, das ich einmal war, lege ihm den Arm um die Schulter, komme in Kontakt. Ja, Berührung, Rührung - es ist ein wenig wie mit einem kleinen Bruder. 'Was hast Du noch alles vor Dir?' Aufrichten, ermutigen wollte ich ihn irgendwie, ihn an der Hand nehmen und ihm meine Begleitung anbieten. Als wäre er jemals von meiner Seite gewichen. Oder war ich es, der ihn hier hatte stehen lassen?
Die Körperlichkeit erschafft ein 'Du', sie vermag Empathie stärker zu fördern als jede Fotografie. Das gehört sicher auch zu den Wirkungsprinzipien des Puppentheaters, des Spiels mit Puppen überhaupt. Seit wir auf der Bühne so viel mit Papier arbeiten, stellt sich uns immer wieder aufs Neue die Frage: Wie lässt sich auch mit 'flacher' bildlicher Darstellung Empathie wecken? Und wie kann Papier körperlich werden? - Denn davon sind wir überzeugt: dass Zuschauer bei allem Wunsch nach geistvoller Unterhaltung letztlich auch Berührung suchen. Im 'Lob der kleinen Form' ist an anderer Stelle weiteres dazu gesagt. Und einmal mehr sei (fragend) der Kirchenvater Augustinus zitiert: Vollkommenheit liegt nicht in der Stärke der Erkenntnis, sondern im Ergriffensein.
J.Baesecke
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